- Rechtsgebiet:
- Versicherungsrecht
Sachversicherung Betriebseinrichtung
Versicherung der Betriebseinrichtung zum Neuwert und Abwicklung der Wiederbeschaffung im Schadensfall
Ihr zuständiger Rechtsanwalt
In der Gewerblichen und industriellen Sach-(Inhalts-)Versicherung wird die Betriebseinrichtung eines Gewerbe- oder Industriebetriebes in aller Regel zum Neuwert versichert. In manchen Policen sind Entwertungsgrenzen vorgesehen, bei deren Unterschreitung die Entschädigung nur noch zum Zeitwert oder zum gemeinen Wert erfolgt.
Die technische und kaufmännische Betriebseinrichtung ist in der Regel in einer Position versichert. Meist in einer gesonderten Position versichert sind Waren und Vorräte.
Im Falle eines Schadens erfolgt die Feststellung des Sachschadens meist durch vom Versicherer beauftragte Sachverständige. Mit der Durchführung der gutachterlichen Schadensfeststellung werden schon die entscheidenden Weichen zur Erlangung der vollständigen bedingungsgemäßen Entschädigung gestellt. Die dabei zu beachtenden Gesichtspunkte werden aber an anderer Stelle dargestellt.
Im Normalfall eines Schadensereignisses erfolgt zunächst die Regulierung der Entschädigung zum sogenannten Zeitwert.
Im weiteren Verlauf der Regulierung des Schadensfalles stellt sich dann häufig die Frage, wie die Wiederbeschaffung der bei einem Schadensereignis zerstörten versicherten Sachen der Betriebseinrichtung durchzuführen ist und was dabei zu beachten ist, um den Anspruch auf die sogenannte Neuwertspitze oder Neuwertspanne zu erlangen, also die Differenz zwischen den Kosten der Wiederbeschaffung neuer Gegenstände der Betriebseinrichtung und der bereits geleisteten Zeitwertentschädigung.
Versicherungsrechtlich bestimmt sich die Rechtslage in aller erster Linie nach den Vereinbarungen des abgeschlossenen Versicherungsvertrages. Da sehr unterschiedliche Bedingungswerke am Markt angeboten werden folgt die Darstellung den Musterbedingungen des GDV AFB 2010 Version 01.01.2011
In Abschnitt A § 7 Nr 2 a) –c) AFB 2010 ist der Versicherungswert von beweglichen Sachen behandelt. Es ist vorgesehen, dass der Versicherungswert dann der Neuwert einer versicherten Sache ist, wenn er wenigstens x % des Betrages ausmacht der aufzuwenden ist, um Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand wiederzubeschaffen oder sie neu herzustellen. Wird die sogenannte Entwertungsgrenze unterschritten, die im Grundsatz frei vereinbart werden kann, meist aber bei 40 % oder 50 % des Neuwertes liegt, wird Entschädigung nur noch zum Zeitwert geleistet oder aber der gemeine Wert bei Sachen, die für ihren Zweck allgemeine oder im Betrieb des Versicherungsnehmers nicht mehr zu verwenden sind
Für den Erwerb des Anspruchs auf Auszahlung der Neuwertentschädigung und die tatsächliche Abwicklung dieses Anspruchs entscheidend ist, , dass im Schadensfall zunächst nur ein Anspruch auf Zahlung der Entschädigung zum Zeitwert gegen den Versicherer entsteht und reguliert werden muss, der Anspruch auf die Regulierung der Differenz zwischen dem Neuwert und dem Zeitwert, die sogenannte Neuwertspanne oder auch Neuwertspitze nach den üblichen Bedingungen erst unter besonderen Voraussetzungen zur Entstehung gelangt und fällig wird.
Dazu bestimmt § 8 Nr. 2 AFB 2010 :
2. Neuwertanteil
Ist die Entschädigung zum Neuwert vereinbart, erwirbt der Versicherungsnehmer auf
den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), einen
Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des
Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird,
um
b) bewegliche Sachen, die zerstört wurden oder abhanden gekommen sind, in
gleicher Art und Güte und in neuwertigem Zustand wiederzubeschaffen. Nach
vorheriger Zustimmung des Versicherers genügt Wiederbeschaffung gebrauchter
Sachen; anstelle von Maschinen können Maschinen beliebiger Art
beschafft werden, wenn deren Betriebszweck derselbe ist;
c) bewegliche Sachen, die beschädigt worden sind, wiederherzustellen.
Danach ist zunächst einmal davon auszugehen, dass die Neuwertentschädigung, bzw. für den Fall, dass die Zeitwertentschädigung bereits geleistet worden ist, die Differenz zwischen Neuwertentschädigung und Zeitwertentschädigung, also die so genannte Neuwertspitze, nur verlangt werden kann, wenn an Stelle der beschädigten Sache eine identische Sache gleicher Art Güte wieder beschafft worden ist und eine Rechnung vorgelegt werden kann, oder aber eine rechtsverbindliche Vereinbarung über die Lieferung einer solchen Sache mit einem Lieferanten abgeschlossen wurde.
Das sieht auf den ersten Blick danach aus, dass nur eine Wiederbeschaffung exakt 1 : 1 den Anspruch auf die Neuwertspitze entstehen lässt.
Auch der Zweck dieser Klausel scheint auf den ersten Blick für die enge Auslegung der Klausel auf die identische Wiederbeschaffung der brandzerstörten versicherten Sache hinzudeuten, da der Zweck dieser Klausel gerade darin besteht, das moralische Risiko zu begrenzen, das bestehen könnte, wenn dem Versicherungsnehmer die Entschädigungssumme zur freien Verfügung zustehen sollte. Der Versicherungsnehmer soll nach dem Sinn dieser Klausel gerade nicht berechtigt sein, völlig andere bewegliche Sachen anstelle der beschädigten oder abhanden gekommenen mit der Entschädigungsleistung des Versicherers zu erwerben.
Von dieser sehr engen, strengen Fassung der Bedingungen, sieht aber die Klausel selbst schon für die Kraft-und Arbeitsmaschinen, die in Deckung der Inhaltsversicherung fallen, eine erhebliche Abweichung vor. Nach dem Wortlaut der Klausel können anstelle zerstörter Maschinen solche beliebiger Art beschafft werden, wenn der Betriebszweck derselbe ist.
Darüber hinaus ergibt sich die Notwendigkeit einer weiteren Auslegung der Wiederherstellungsklausel im Bereich der Versicherung des Betriebsinhalts aus der Berücksichtigung des technischen Fortschritts im Bereich des jeweiligen Unternehmens. Wenn eben, wie dies insbesondere bei langlebigen Gegenständen des beweglichen Anlagevermögens eines produzierenden Betriebes der Fall sein kann, die Wiederbeschaffung identischer Gegenstände wegen der geänderten Produktionsverfahren und Methoden im Bereich des betreffenden Gewerbes wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, dann besteht zweifelsfrei die Befugnis, statt identischer Sachen solche Sachen wieder zu beschaffen, die von ihrer Funktion her der Funktion der brandzerstörten Gegenstände entsprechen. Ganz abgesehen davon gilt natürlich, dass auch im Bezug auf die konkreten brandzerstörten Gegenstände, Vorrichtungen und Geräte eine identische Wiederbeschaffung deshalb nicht gefordert wird wenn diese nicht mehr möglich ist, weil diese Geräte zwischenzeitlich veraltet und in der konkret zerstörten Form gar nicht mehr am Markt erhältlich sind. Dann darf selbstverständlich an Stelle der veralteten Geräte ein solches modernes Gerät gleicher oder ähnlicher Funktion beschafft werden, auch wenn dieses weitergehende Einsatzmöglichkeiten, größere Kapazität oder Produktivität oder anderweitigen Zusatznutzen bietet. Sicher ist allerdings in diesen Fällen der Anspruch auf die Neuwertspitze aus den zerstörten nicht "identisch" wieder beschafften Sachen, mindestens bis zur Höhe des von den Sachverständigen festgestellten Wiederbeschaffungswerts auf das substituierende Ersatzgut zu "übertragen".
Nun ist es wie eingangs erwähnt meist so, dass die Betriebseinrichtung als solche in einer Position versichert ist, also ein Inbegriff von Sachen unter Versicherungsdeckung gebracht ist.
Auch in diesen Fällen, in denen die beim Brand zerstörten oder beschädigten Sachen unter einem Inbegriff versichert sind, kommt es für die Frage der Fälligkeit der Neuwertentschädigung nur darauf an, ob und inwieweit von dem geschädigten Versicherungsnehmer für infolge des Brandes zerstörte Einrichtungsgegenstände Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem (oder sonst bedingungsgemäßen) Zustand wieder beschafft worden sind.
Für die Fälligkeit der Neuwertspitze ist es dann nicht entscheidend, ob die Betriebseinrichtung in ihrer Gesamtheit als sogenannter Sachinbegriff mehr oder weniger vollständig ersetzt worden ist oder nicht. Die Voraussetzungen der entsprechenden Wiederherstellungsklauseln sind nicht so zu verstehen, als könnten sie nur insgesamt erfüllt oder insgesamt nicht erfüllt werden. Wird demnach nur ein Teil der Sachen wiederbeschafft oder wiederhergestellt, so wird der entsprechende Teil der Neuwertspanne gleichwohl fällig (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 28. Aufl., § 93 Anm. 5 A d, Rdnr. 24). Es ist mithin auf die einzelnen Sachen abzustellen, die gem. § 89 VVG als solche auch versichert sind.
Sind durch den Versicherungsfall also mehrere Sachen eines Inbegriffes von versicherten Sachen betroffen, so genügt es für den Anspruch auf die Neuwertspanne für jede einzelne Sache, wenn deren Wiederherstellung oder Widerbeschaffung sichergestellt ist. Die Neuwertspanne für eine Sache, deren Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung gesichert ist, darf nicht deshalb versagt werden, weil der Versicherungsnehmer andere Sachen nicht oder noch nicht reparieren oder wiederbeschaffen will und er daher „zunächst die Zeitwertentschädigung für jene anderen Sachen zur Wiederbeschaffung der einen Sache verwenden solle“. Vielmehr darf der VN die Zeitwertentschädigung für jene anderen Sachen beliebig verwenden (Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., R IV Rdnr. 31). Das ist in der Rechtsprechung auch so entschieden worden, z.B. OLG Köln, VersR 84, 1084; OLG Koblenz VersR 86,84.
Aus dem Umstand, dass die Betriebseinrichtung in einer Position versichert ist, kann demzufolge auch nicht grundsätzlich und pauschal der Schluss gezogen werden, dass der Neuwert der kompletten Betriebseinrichtung zu entschädigen sei, und zwar unabhängig davon, ob sie in ihrer Gesamtheit vollständig wieder beschafft und wiederhergestellt worden ist, wenn der versicherte Inbegriff wieder funktionsfähig erstellt wird. Die Voraussetzung der Fälligkeit der Neuwertspitze hinsichtlich der kompletten Betriebseinrichtung kann also grundsätzlich nicht dadurch herbeigeführt werden, dass der versicherte Betrieb „irgend wie“ wieder funktionsfähig eingerichtet wird. Es ist auch insoweit zu vergleichen ob die wieder beschafften oder wiederhergestellten Sachen, die zerstörten oder beschädigten Sachen vollständig oder nur teilweise substituieren. Das ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls und ausschließlich anhand der technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten hinsichtlich der konkreten Sache und deren betrieblicher/technischer Funktion im konkreten Betriebsablauf des versicherten Betriebes zu beurteilen.
Die Neuwertspanne ist im übrigen nach richtiger Auffassung hinsichtlich der wiederbeschafften und wiederhergestellten Sachen auch dann zu zahlen, wenn die tatsächlichen Aufwendungen günstiger waren als der Neuwert (ausführlich hierzu Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., R IV 56 bis 61; ebenso im Ergebnis Prölss/Martin/Armbrüster, § 93 Anm. 5 A c, Rdnr 21). Infolgedessen sind dann bezüglich dieser Sachen nicht die tatsächlichen Aufwendungen, sondern die entsprechenden Neuwertbeträge für die einzelnen wiederbeschafften Sachen maßgebend (OLG Köln Urteil vom 11.11.1993, 5 U 41/93, VersR 1994, 932).