- Rechtsgebiet:
- Versicherungsrecht
Produkthaftpflichtversicherung
Ihr zuständiger Rechtsanwalt
Das Produkthaftpflichtrisiko ist zumindest grundsätzlich in der konventionellen Betriebshaftpflichtversicherung mit eingeschlossen. Die Haftpflichtversicherung ist üblicherweise als Allgefahrenversicherung ausgestaltet, d.h. versichert ist, was innerhalb der Risikobeschreibung liegt und nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Aus dem Fehlen einer generellen Ausschlussklausel in den AHB folgt, dass das Produkthaftpflichtrisiko als typisches Betriebsstättenrisiko in der Betriebshaftpflichtversicherung mitversichert ist. Dies gilt nach den AHB jedoch nicht für unmittelbare Vermögensschäden, die nicht Vermögensfolgeschäden sind, also nicht auf vorangegangenen Personen- oder Sachschäden beruhen.
Von der konventionellen Betriebshaftpflichtdeckung ausgeschlossen sind auch solche Sach- und Personenschäden, die nach dem Inverkehrbringen von Produkten oder nach dem Abschluss von Arbeiten oder der Ausführung von Leistungen entstanden sind. Die Deckung des Produkthaftpflichtrisikos allein nach der konventionellen Betriebshaftpflichtversicherung weist also in der Praxis bedeutsame Lücken auf.
Im Regelfall verlässt das Produkt die Betriebsstätte und gelangt in die Hände eines weiterverarbeitenden Betriebs oder des Endverbrauchers. Für dort anfallende Schäden empfiehlt sich der zusätzliche Abschluss einer Versicherung nach den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie- und Handelsbetrieben des GDV (Produkthaftpflicht-Modell).
Ereignet sich beispielsweise bei einem Hersteller von Feuerwerks-Sprengkörpern am Rande seines Betriebsgeländes eine Explosion, durch die ein benachbartes Gebäude beschädigt wird, so handelt es sich um die Verwirklichung eines von der konventionellen Betriebshaftpflichtversicherung (mit eingeschlossener Umwelthaftpflichtdeckung, vgl. Umwelthaftpflichtversicherung) gedecktes Betriebsstättenrisiko. Explodiert ein solcher Feuerwerkskörper jedoch in den Händen des Endverbrauchers, weil ein vom Hersteller zu verantwortender Instruktionsfehler vorliegt, kommt eine Deckung nur nach dem Produkthaftpflicht-Modell in Frage, weil das Produkt bereits in den Verkehr gebracht worden ist.
Die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrie- und Handelbetrieben gelten zusätzlich zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB). Nach dem Grundsatz der Spezialität und nach dem Wortlaut der Präambel der Musterbedingungen des GDV gehen Bestimmungen des Produkthaftpflicht-Modells denen der AHB im Zweifel vor.
Ziff. 7.10 AHB schließt u.a. Schäden aus, die durch Umwelteinwirkung auf Boden, Wasser oder Luft entstehen. Dies gilt jedoch nicht für solche Umweltschäden, die durch bereits in den Verkehr gebrachte Produkte und Leistungen des Versicherungsnehmers entstanden sind. Produkt-Umweltschäden sind also vom Produkthaftpflichtversicherungs-Modell gedeckt.
Die Abgrenzung von Produkthaftpflichtversicherung und Rückrufkosten-Versicherung kann im Einzelfall problematisch sein. Grundsätzlich sieht das Produkthaftpflicht-Modell einen Ausschluss der Rückrufkosten vor; das Rückrufkosten-Risiko muss also zusätzlich versichert werden. Teilweise werden Rückrufkosten jedoch als Rettungskosten im Sinne von § 63 VVG betrachtet. Auf dieser Grundlage sind bestimmte Fälle denkbar, in denen Rückrufkosten trotz fehlender Rückrufkostenversicherung von der Produkthaftpflichtversicherung gedeckt werden müssen.
Bei dem Produkthaftpflicht-Modell handelt es sich um unverbindliche Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV). Abweichende Vereinbarungen davon sind möglich und kommen in der Praxis vor, was natürlich auch zu einer abweichenden Bezifferung der einzelnen Klauseln führen kann.
Das Produkthaftpflicht-Modell regelt in den Ziff. 1-3 Gegenstand der Versicherung, Versichertes Risiko und mitversicherte Personen. Ziff. 4 regelt die Abgrenzungen und Erweiterungen des Versicherungsschutzes und bildet damit den Kern des Modells. Teile der in Ziff. 4 niedergelegten Klauseln sind im Sinne eines Baukastensystems zur fakultativen Verwendung vorgesehen; dies betrifft den Einschluss von Schäden durch mangelhafte Maschinen und den Einschluss von Prüf- und Sortierkosten.
Ziff. 5 regelt die Deckung von Auslandsschäden und muss nach den besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Versicherungsnehmers individuell vereinbart werden.
Für die Praxis besonders wichtig sind auch die Regelungen von Ziff. 6. Hier werden die nicht versicherten Tatbestände genannt, sog. Ausschlüsse oder Risikoabgrenzungen.
Zum Beispiel sind Haftpflichtansprüche, die auf Grund Vertrages oder besonderer Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des Versicherungsnehmers hinausgehen, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Dies gilt auch für Gewährleistungsrisiken einschließlich Nachbesserungs- und Ersatzlieferungsansprüchen, die dem nicht gedeckten unternehmerischen Risiko zugerechnet werden.
Für Hersteller, die unter immer größerem Zeit- und Kostendruck Produkte entwickeln und auf den Markt bringen, ist dabei die wenig beachtete Erprobungsklausel von wachsender Bedeutung, nach der der Versicherer bestimmte Schäden nicht decken muss, wenn ein Schaden durch ein Produkt entstanden ist, das nicht nach dem Stand der Technik oder in sonstiger Weise ausreichend erprobt war.
Ziff. 7 enthält die zeitliche Begrenzung des Versicherungsschutzes, die im Regelfall auf drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags festgelegt ist.
Ziff. 8 regelt den Versicherungsfall und beinhaltet die praktisch bedeutsame Serienschadenklausel. Für den Versicherungsfall wird ausdrücklich Bezug genommen auf das Schadensereignisprinzip der Betriebshaftpflichtversicherung. Für die einzelnen Haftungstatbestände der Ziff. 4 werden dazu konkrete Auslegungsregeln zur Bestimmung des Zeitpunkts des Versicherungsfalls festgelegt.
Die Serienschadenklausel ist dann wirtschaftlich von entscheidender Bedeutung, wenn Waren in großen Stückzahlen hergestellt werden. Dann führt ein einziger Produktfehler oft zu einer Vielzahl von gleichartigen Schäden. Durch diese Klausel werden mehrere einzelne Versicherungsfälle zu einem Schadenereignis zusammengefasst mit der Wirkung, dass die maximale Deckungssumme und die Jahreshöchstleistung nach Ziff. 9 nur einmal (oder beispielsweise, nach Vereinbarung, zwei Mal) als Deckung zur Verfügung stehen. Gerade bei Versicherungsnehmern, die Produkte in Serie herstellen, besteht an dieser Stelle häufig unerkannter Beratungsbedarf.
Beim Abschluss eines Betriebshaftpflichtversicherungsvertrages mit der Zusatzdeckung nach dem Produkthaftpflicht-Modell ist darauf zu achten, dass nicht zwingend Kongruenz zwischen Produkthaftpflicht-Modell und AHB besteht. Wird beispielsweise ein Ausschluss der AHB im Versicherungsvertag abbedungen, so gilt dies nicht automatisch auch für die Deckung des Produkthaftpflichtrisikos. In bestimmten Konstellationen kann dies zu einer aus dem Beratungsverschulden resultierenden Haftung des Versicherers führen.