- Rechtsgebiet:
- Versicherungsrecht
Berufshaftpflichtversicherung
Die Berufshaftpflichtversicherung ist eine besondere Form der Haftpflichtversicherung. Sie schützt den versicherten Berufstätigen davor, eine Vermögenseinbuße dadurch zu erleiden, dass er für einen von ihm zu verantwortenden Schaden haftet. Als Haftpflichtversicherung ist die Berufshaftpflichtversicherung also Schadenversicherung und Passivenversicherung, denn versichertes Interesse ist, dass das Vermögen des Versicherten nicht mit Verbindlichkeiten belastet wird.
Die Berufshaftpflichtversicherung ist im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) nicht ausdrücklich geregelt. Die vertraglichen Vereinbarungen ergänzend oder beschränkend gelten die Regelungen des VVG, insbesondere die §§ 100 ff. VVG, sowie bei Bestehen einer gesetzlichen Pflicht zum Abschluss des Berufshaftpflichtversicherungsvertrags die §§ 113 ff. VVG. Die genannten Normen des VVG sind jedoch nicht dazu geeignet, sämtliche relevanten Fragen des Haftpflichtversicherungsverhältnisses zu regeln. Sie sind weitgehendend dispositiv, also abdingbar, allerdings zumeist halbzwingend, sodass von ihnen nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers durch Vertrag abgewichen werden kann.
Die wichtigste Rechtsquelle der Berufshaftpflichtversicherung ist also der Versicherungsvertrag mit den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), die sich in der Regel an den jeweils aktuellen Musterbedingungen des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GDV) orientieren. Neben den Musterbedingungen existieren umfangreiche ergänzende Bedingungswerke, die der genauen Risikobeschreibung und der Abgrenzung zu anderen, verwandten Haftpflichtversicherungsprodukten dienen. Bei der reinen Vermögensschadenhaftpflichtversicherung sind nicht die AHB, sondern die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (AVB-WB) subsidiäre Rechtsgrundlage, wobei viele Regelungen inhaltlich den AHB entsprechen. Neben den bereits genannten Berufen werden besondere Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherungsverträge angeboten, z. B. für Unternehmensberater, Sachverständige, Gutachter, Versicherungsmakler, Werbeagenturen, Reisebüros, Beamte und viele andere.
Die Berufshaftpflichtversicherung ist hauptsächlich abzugrenzen von der Privathaftpflichtversicherung und der Betriebshaftpflichtversicherung. Bei der Privathaftpflichtversicherung sind Schäden aus dem privaten Bereich versichert. Wegen der Negativdefinition der Privathaftpflichtversicherung überschneiden sich die versicherten Gefahren aus dem geschäftlichen Betrieb mit jenen aus dem privaten Bereich nicht; ein Ereignis ist immer entweder dem privaten oder dem betrieblichen Bereich zuzuordnen. Zwischen beiden Bereichen kann es jedoch zu Lücken im Versicherungsschutz kommen, etwa dann, wenn eine Tätigkeit zwar eindeutig beruflich ist, jedoch nicht innerhalb des jeweils speziell versicherten beruflichen Risikos erfolgt. Auf Grund des Grundsatzes der Spezialität muss dem Versicherungsvertrag eine möglichst genaue Beschreibung des versicherten Risikos zu Grunde gelegt werden. Hier kommt es schon bei Vertragsschluss auf eine sorgfältige Erfassung der denkbaren Tätigkeiten des Versicherungsnehmers an - bei mangelnder Sorgfalt kommt eine Haftung des beteiligten Versicherungsvertreters oder Versicherungsmaklers in Betracht. Wenden Sie sich bei entsprechendem Verdacht frühzeitig an Ihren Rechtsanwalt für Versicherungsrecht.
Die Abgrenzung der Berufshaftpflichtversicherung zur Betriebshaftpflichtversicherung erfolgt - rein sprachlich - über das Berufsbild der freien Berufe (wie z. B. Ärzte, Architekten, Steuerberater, Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer etc.). Die Betriebshaftpflichtversicherung für die sonstigen betrieblichen Tätigkeiten deckt in der Regel gem. Ziffer 1.1 AHB nur Personen- und Sachschäden ab, wohingegen die Berufshaftpflichtversicherung häufig als reine Vermögensschadenversicherung ausgestaltet ist. Dies erklärt sich daraus, dass z. B. bei einem Beratungsfehler eines Steuerberaters beim Geschädigten in der Regel nur ein Vermögensschaden eintreten kann. Haftet der Steuerberater jedoch in dem ungewöhnlichen Fall einer Körperverletzung seines Mandanten z. B. wegen ungewöhnlich rutschigen Bodens in seinen Kanzleiräumen, so kommt im Regelfall nur eine zusätzlich abgeschlossene Betriebshaftpflichtversicherung in Betracht, da der Schaden nicht durch die spezifische berufliche Tätigkeit eines Steuerberaters entstanden ist. Die Abgrenzung verläuft jedoch nicht so trennscharf wie zur Privathaftpflichtversicherung; vielmehr lassen sich Elemente der Betriebs- und der Berufshaftpflichtversicherung auch in einheitlichen Verträgen zu einem umfassenden betrieblichen Versicherungsschutz kombinieren.
Bei bestimmten Berufen, insbesondere bei den Kammerberufen der Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, ist der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben. Es handelt sich dabei um sogenannte Pflichthaftpflichtversicherungen, für die zusätzlich die §§ 113 ff. VVG Geltung haben. Im Unterschied zur Kfz-Haftpflichtversicherung besteht jedoch bei dieser Art der Pflichtversicherung kein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer; er muss sich vielmehr an den Berufsträger wenden, der dann einen Freistellungsanspruch gegen seinen Haftpflichtversicherern hat.
Bei den Kammerberufen mit Versicherungspflicht ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die “berufliche Tätigkeit“ des Versicherungsnehmers zu versichern ist (vgl. §§ 51 BRAO, 67 StBerG, 54 WPO). Da sich aus dem jeweiligen gesetzlichen Berufsbild nicht das gesamte Spektrum der beruflichen Tätigkeiten erfassen lässt, bereitet die Abgrenzung zwischen berufstypischen und berufsfremden Tätigkeiten häufig Probleme. Zum Berufsbild des Rechtsanwalts gehören beispielsweise nicht Tätigkeiten der reinen Vermögensverwaltung oder der reinen Anlageberatung. Bei einer Treuhändertätigkeit kommt es dagegen darauf an, ob und in welchem Umfang der Rechtsanwalt rechtliche Interessen zu beachten hat.
Während bei der Betriebshaftpflichtversicherung üblicherweise alle Betriebsangehörigen des Versicherungsnehmers mitversichert sind, bedarf dies bei der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung der besonderen Vereinbarung. Mitversicherte sind jedoch in der Regel die bestellten Vertreter des jeweiligen Berufsträgers. Für die seltenen Fälle einer möglichen unmittelbaren Inanspruchnahme von Mitarbeitern durch den Geschädigten, wie z. B. bei dem durch Mitarbeiter verursachten Verlust von Mandantenakten, sind die Mitarbeiter durch die Einstandspflicht des Versicherungsnehmers und durch den Regressverzicht des Versicherers (§ 7 Ziff. IV AVB-WB) geschützt.
Nach den gesetzlichen Vorgaben der Kammerberufe, die eine Pflichthaftpflichtversicherung vorsehen, muss Versicherungsschutz für jede Pflichtverletzung während der gesamten Zeit der Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers bestehen. Versicherungsfall ist bei der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung deshalb der Verstoß, der nach dem Kausalereignisprinzip bestimmt wird. Infolge dieser Regelung kommt es nicht darauf an, wann beim Geschädigten tatsächlich ein Schaden eingetreten ist (Schadenereignisprinzip) und auch nicht darauf, wann dieser geltend gemacht wird (Claims-made-/Anspruchserhebungsprinzip). Entscheidend ist vielmehr, wann der Versicherungsnehmer gegen die berufliche Pflicht verstoßen hat, die für den Vermögensschaden des Geschädigten ursächlich war. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass auch bei einem Versicherungsnehmer, der nicht mehr in einem der freien Berufe tätig ist und daher auch nicht mehr versichert ist, ein viele Jahre vorher während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses begangener Verstoß noch gedeckt ist.
Begrenzt ist der Umfang der Versicherungsdeckung durch die jeweils vereinbarte Versicherungssumme. Bei Rechtsanwälten sieht das Gesetz eine Mindestversicherungssumme in Höhe von 250.000 € pro Schadensfall vor. In der Praxis kommt es zu Problemen, wenn die Sozien einer Kanzlei von mehreren Berufsträgern jeweils unterschiedliche Versicherungssummen vereinbart haben. Sozien sind dabei haftungs- und versicherungsrechtlich nicht nur die Partner einer GbR, GmbH oder Partnerschaftsgesellschaft, sondern auch die Mitglieder einer reinen Außen- oder Scheinsozietät. Das Innenverhältnis der beteiligten Berufsträger spielt dabei keine Rolle - es kommt nicht darauf an, ob ein Partnerschaftsvertrag, eine Bürogemeinschaft oder ein Angestelltenverhältnis zu Grunde liegt. So lange die Mitglieder auf Grund des gemeinsamen Außenauftritts gesamtschuldnerisch haften (hierfür genügen im Einzelfall ein gemeinsames Türschild und ein gemeinsamer Briefkopf), ist der Grundsatz des § 12 AVB-WB (Sozienklausel) erfüllt, wonach der Versicherungsfall eines der Sozien als Versicherungsfall aller Sozien gilt. Als Versicherungssumme ist dann die fiktiv zu ermittelnde versicherte Durchschnittsleistung aller Sozien vereinbart, die durch die Addition der fiktiven Leistung, die jeder Einzelne gemäß seiner Versicherungssumme erhalten würde, geteilt durch die Anzahl der Sozien zu berechnen ist. Dies führt dazu, dass dann, wenn auch nur einer der Sozien im konkreten Versicherungsfall eine Unterdeckung vereinbart hat, der Schaden für alle Sozien nicht mehr voll gedeckt ist. Umstritten ist hierbei die Frage, ob die Sozienklausel auch dann Anwendung findet, wenn die Sozien bei verschiedenen Berufshaftpflichtversicherern versichert sind. Sollte Ihre Berufshaftpflichtversicherung diesen Standpunkt einnehmen, wenden Sie sich gerne an uns.
Wie bei der Haftpflichtversicherung üblich, gilt für die Berufshaftpflichtversicherung der Grundsatz der Spezialität der versicherten Risiken mit der Folge, dass eine möglichst konkrete Risikobeschreibung im Versicherungsvertrag notwendig ist. Neben dieser primären Risikobegrenzung wird das versicherte Risiko sekundär durch Ausschlussklauseln begrenzt. Häufig bereiten dabei die Ausschlussklauselnschwierigkeiten, die die Abgrenzung zu den nicht versicherten unternehmerische Risiken der Versicherungsnehmer vornehmen; dies betrifft insbesondere die Erfüllungsklausel und die Tätigkeitsklausel. Bei der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung bestehen hier jedoch Sonderregeln, da Haftpflichtansprüche wegen mangelhafter Vertragserfüllung bei freien Berufen gerade das typische Risiko darstellen, das versichert werden soll; dies gilt insbesondere bei der Absicherung der beruflichen Risiken von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern.
Bei diesem Berufen spielt die so genannte Pflichtwidrigkeitsklausel in der Praxis eine große Rolle bei Deckungsauseinandersetzungen zwischen Versicherungsnehmern und Berufshaftpflichtversicherern. Die Pflichtwidrigkeitsklausel findet sich beispielsweise in den AVB-WB, aber auch in den der Berufshaftpflichtversicherung für Architekten zu Grunde liegenden BBR/Arch. Durch diese Klausel sind solche Schäden vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, die durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschriften, Anweisung oder Bedingungen des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung bzw. durch bewusst pflichtwidriges Verhalten entstanden sind. Dieser Ausschluss greift dann, wenn der Versicherungsnehmer seine Pflicht gekannt hat und in dem Bewusstsein, dabei pflichtwidrig zu handeln, gegen diese Pflicht verstoßen hat. Kennt der Versicherungsnehmer eine Pflicht jedoch nicht, so greift der Ausschluss nicht ein, auch wenn der Versicherungsnehmer die Pflicht hätte kennen müssen, also fahrlässig nicht kannte. Der Vorsatz des Versicherungsnehmers muss sich allerdings nur auf die Pflichtverletzung als solche beziehen, nicht jedoch auf den Eintritt eines dadurch verursachten Schadens, was zur Konsequenz hat, dass auch ein „Versehen“ durch unsorgfältige Arbeitsweise vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sein kann. In diesem Bereich kann es zu zahlreichen Abgrenzungsschwierigkeiten im praktischen Einzelfall kommen, für deren Bewältigung eine versicherungsrechtliche Beratung sinnvoll ist.
Stand: August 2011