- Rechtsgebiet:
- Versicherungsrecht
Neuwertentschädigung und Steuerrecht
Steuerrechtliche Auswirkungen der Neuwertentschädigung und Übertragung stiller Reserven bei Ersatzbeschaffung durch Rücklagenbildung
Ihr zuständiger Rechtsanwalt
In der gewerblichen und industriellen Sach-(Inhalts-)Versicherung erfolgt in Fällen in denen durch ein versichertes Schadensereignis versicherte Gegenstände der kaufmännischen oder technischen Betriebseinrichtung zerstört werden, häufig die Entschädigung auf der Basis des Wiederbeschaffungswertes zum Neuwert. Dabei geschieht auch einiges was auf der Ebene des Steuerrechtes relevant ist und der Beachtung bedarf um ggf. gravierende Nachteile zu vermeiden.
Wird nämlich ein ganz oder teilweise abgeschriebener Gegenstand der Betriebseinrichtung von einem Schadensereignis betroffen und zerstört, so scheidet er aus dem Betriebsvermö-gen aus. Ist das Wirtschaftsgut versichert und leistet der Schadensversicherer eine den Buchwert des betroffenen Wirtschaftsguts übersteigende Entschädigung auf Basis des Zeitwerts oder Neuwerts, so kommt es zur gewinnerhöhenden Aufdeckung stiller Reserven, die an sich der Gewinnbesteuerung unterliegt.
Nach der Einkommensteuerrichtlinie R 6.6 kann eine Gewinnverwirklichung durch Aufdeckung stiller Reserven aber in bestimmten Fällen der Ersatzbeschaffung vermieden werden. Voraussetzung ist, dass
1. ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens infolge höherer Gewalt oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet,
2. innerhalb einer bestimmten Frist ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut (Ersatz-Wirtschaftsgut) angeschafft oder hergestellt wird, auf dessen Anschaffung-oder Herstellungskosten die aufgedeckten stillen Reserven übertragen werden, und
3. in dem handelsrechtlichen Jahresabschluss entsprechend verfahren wird.
Bei den meisten Schadensereignissen, die im Bereich der Inhaltsversicherung zu einem Entschädigungsanspruch gegen einen Versicherer führen, handelt es sich um höhere Gewalt (R 6.6 (2)).
Eine weitere Voraussetzung für die Anerkennung der Rücklagenbildung besteht darin, dass ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut (Ersatzwirtschaftsgut) angeschafft wird.
Ein Ersatzwirtschaftsgut setzt nicht nur ein der Art nach funktionsgleiches Wirtschaftsgut voraus, es muss auch funktionsgleich genutzt werden. Rücklagen für Ersatzbeschaffung können nur gebildet werden, wenn das Ersatzwirtschaftsgut in demselben Betrieb angeschafft oder hergestellt wird, dem auch das entzogene Wirtschaftsgut diente.
Zu klären ist also, was unter dem Begriff des funktionsgleichen Wirtschaftsgutes in steuerrechtlicher Hinsicht zu verstehen ist.
Unproblematisch sind die Fälle in denen dann ein der Art nach gleiches Wirtschaftsgut wieder beschafft wird, also z. B. eine Drehbank bestimmten Typs durch genau eine entsprechende Drehbank des gleichen Typs ersetzt wird.
Wie ist diese Frage aber zu beurteilen, wenn eine modernere, leistungsstärkere Drehbank aus der Gattung der Drehbänke angeschafft wird? Kann dann Funktionsgleichheit vorliegen? Und wie, wenn im Rahmen eines bestimmten Produktionsprozesses zur Erreichung eines bestimmten Produktionszieles, alternative Produktionsverfahren zur Verfügung stehen, im Rahmen des Wiederaufbaus eines vom Brand zerstörten Betriebes auch das Produktionsverfahren gewechselt wird und die für das alternative Produktionsverfahren erforderliche Maschine „wiederbeschafft“ werden soll? So werden z.B. bestimmte Maschinenteile aus Metall, sowohl in Gussverfahren erzeugt (Druckguss, Grauguss) als auch mittels spanabhebender Verfahren (Drehen, Fräßen, Bohren). Es ist auch daran zu denken, dass zur Erzeugung des Endproduktes auf ein anderes Material umgestellt werden könnte, z.B. von Metall auf Kunststoff oder Keramik und dann entsprechende Maschinen einzusetzen wären. Wenn also am Ende im Betrieb z.B. wieder ein künstliches Hüftgelenk erzeugt würde, z.B. aus Keramik, das zuvor aus Titan oder Kunststoff erzeugt worden war, so wäre dann immer noch von Funktionsgleichheit der dafür eingesetzten Maschinen auszugehen?
Es zeigt sich also, dass die Frage, ob ein Ersatzwirtschaftsgut i.S. R 6.6 EStR 2005 anzunehmen ist oder nicht, sich nicht daran entscheiden kann ob ein Wirtschaftsgut gleicher Art angeschafft wurde oder nicht, entscheidend ist vielmehr, ob das angeschaffte Wirtschaftsgut wirtschaftlich funktionsgleich genutzt wird.
Rücklagen für Ersatzbeschaffung können schließlich nur gebildet werden, wenn das Ersatzwirtschaftsgut in demselben Betrieb angeschafft oder hergestellt wird, dem auch das entzo-gene Wirtschaftsgut diente.
Das Ersatzwirtschaftsgut muss im Betrieb die gleiche Funktion haben wie das aus-geschiedene Wirtschaftsgut (vgl. etwa BFH-Urteile vom 22. September 1959 I 51/59U, BFHE 72,1, Bundessteuerblatt III 1961,1, BFHE 121,70, Bundessteuerblatt II 1988,330 mit weiteren Nachweisen); daraus folgt aber zugleich, dass nicht nur der Art nach ein (im Rahmen des konkreten Betriebszwecks) funktionsgleiches Wirtschaftsgut anzuschaffen ist, dieses Ersatzwirtschaftsgut vielmehr auch entsprechend (funktionsähnlich) zu nutzen ist (BFH Urteil vom 29. 4. 1999 IVR 7/98 in DStR26/99= BStBl 1999 II S. 488).
Abstrakt hat dies der BFH unter Zusammenfassung seiner ständigen Rechtsprechung zuletzt in BFH Urteil v. 29.04.1999 IV R 7/98 –BStBl 1999 II S. 488 so formuliert:
"Nach der Rechtsprechung des BFH sind die Grundsätze zur Übertragung stiller Reserven bei Ersatzbeschaffung auf den Fall beschränkt, dass das aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene oder beschädigte Wirtschaftsgut durch ein wirtschaftlich gleichartiges Wirtschaftsgut ersetzt wird. Das Ersatzwirtschaftsgut muss im Betrieb die gleiche Funktion haben wie das ausgeschiedene Wirtschaftsgut (vgl. etwa BFH-Urteile vom 22. September 1959 I 51/59 U, BFHE 72, 1, BStBl III 1961, 1, und in BFHE 151, 70, BStBl II 1988, 330, m. w. N.). Daraus folgt aber zugleich, dass nicht nur der Art nach ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut zu schaffen ist, dieses Ersatzwirtschaftsgut vielmehr auch entsprechend zu nutzen ist. Der erkennende Senat hat deshalb die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung auch schon deshalb abgelehnt, weil die Entschädigungsleistungen für ein zerstörtes landwirtschaftliches Gebäude und das zerstörte Inventar zur Herstellung eines gewerblich genutzten Gebäudes verwandt worden waren" (Urteil vom 3. Oktober 1985 IV R 16/83, BFH/NV 1986, 208).
Daraus folgt aber gerade nicht, dass die Übertragung der Rücklagen nur möglich ist auf ein dem ausgeschiedenen Wirtschaftsgut völlig gleichartiges, also identisches Wirtschaftsgut.
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes legt den Begriff Ersatzwirtschaftsgut und diesbezügliche Funktionsgleichheit hierbei grundsätzlich zwar einerseits sehr eng aus. Andererseits lässt diese Rechtsprechung für die Art und Weise der Wiederbeschaffung einen extrem weiten Spielraum, insofern als sie auf die wirtschaftliche Funktionsgleichheit abstellt.
Funktionsgleiche ist nach dieser Rechtsprechung dann gegeben, wenn z.B. in einem Betrieb der nur Plastikeimer herstellt, eine Maschine bestimmte Produkte (Plastikeimer) hergestellt hat und die neue im Wege der Ersatzbeschaffung angeschaffte Maschine die gleichen Plastikeimer herstellt. Unschädlich ist es dabei hinsichtlich der Funktionsgleichheit, wenn die Maschine größer und leistungsfähiger ausfällt oder sogar bunte Plastikeimer herstellen kann. Hat der Betrieb generell Eimer sowohl aus Plastik als auch aus Metall hergestellt, so liegt Funktionsgleiche auch vor, wenn nun statt einer Maschine zur Herstellung von Plastikeimern eine solche zur Herstellung von Metalleimern wieder beschafft wird, vorausgesetzt, der Betrieb stellt weiterhin Eimer her und die Maschine wird auch für diesen betrieblichen Zweck genutzt. Keine Funktionsgleichheit wäre allerdings gegeben, wenn eine Maschine zur Herstellung von Spielzeugautos aus Plastik angeschafft würde und, ohne dass eine entsprechende Betriebsänderung vorläge, an einen Hersteller von Plastikautos vermietet oder verleast werden würde.
Übertragen auf die Verhältnisse z.B. in einem Betrieb des Bauhauptgewerbes bedeutet das, dass Maschinen, Vorrichtungen, Werkzeuge und Geräte im Hinblick auf die Funktion für die Erbringung der Bauleistung im Baubetrieb zu beurteilen sind.
Hat also z.B. ein Baubetrieb einen Bestand von 100 Schaufeln, 100 Spaten, 100 Hacken und 10 Schubkarren, deren Einsatzzweck darin bestand im Rahmen von Aushub und Ausschachtungsarbeiten auf Baustellen und zum Abtransport des Aushubs eingesetzt zu werden, so erfüllt ein Bagger angemessener Größe und Bauart im Hinblick auf die Funktion sowohl technisch als auch hinsichtlich der Nutzung für den Betriebszweck (Bauunternehmen) das Kriterium der wirtschaftlichen Funktionsgleichheit.
Ein anderes Beispiel wäre die Anschaffung eines Kompressors mit Presslufthammer für Aufbruch/Abbrucharbeiten anstelle dafür bisher verwendeter Vorschlaghämmer, Spitzhacken und Meißel, von elektrischen Schlagbohrmaschinen für handbetriebene Bohrer, oder z.B. eines PC mit Drucker und Textverarbeitungssoftware anstelle einer mechanischen Schreibmaschine.
Der Rechtsprechung ist also zu entnehmen, dass Voraussetzung der Übertragung der stillen Reserven nicht die identische Wiederbeschaffung der durch den Brand zerstörten Maschinen und Geräte im Verhältnis 1 : 1 ist, man vielmehr zu vergleichen hat, welchem Produktionszweck das ausgeschiedene Wirtschaftsgut diente und für welchem Produktionszweck das neue Ersatzwirtschaftsgut eingesetzt wird. Bestehen hierbei nicht nur unerhebliche Überschneidungen, so kann von einer Funktionsgleichheit ausgegangen werden. Völlig unerheblich ist dann ob das neu angeschaffte Wirtschaftsgut größer, leistungsfähiger, produktiver oder mit zusätzlichen Verwendungsmöglichkeiten und Zusatznutzen verwendet werden kann.
Wirtschaftlich gleichartig und damit hinreichend funktionsähnlich ist jedes Wirtschaftgut mit dem technisch die gleichen Betriebszwecke eines konkret gegebenen Betriebes erreicht werden sollen, die zuvor mit dem ausgeschiedenen Wirtschaftsgut verwirklicht worden waren. Wenn es also zu einem Baubetrieb gehört, Baugruben, Arbeitsräume, Entwässerungs- oder Fundamentgräben auszuheben und die zerstörten Schaufeln, Hacken, Schubkarren, etc. diesem technischen Betriebszweck gedient haben, dann ist ein Bagger, der für eben diese Zwecke eingesetzt wird, ein wirtschaftlich gleichartiges Wirtschaftsgut, mit der Folge dass die stillen Reserven der dem selben Zweck dienenden zerstörten Gegenstände auf dieses neu angeschaffte Wirtschaftsgut übertragen werden können.
Vergleichbar ist die Situation in einem metallverarbeitenden Betrieb, der Blech durch Stanzen, Schneiden und Bohren unter Einsatz von Stanzen, Pressen, Scheren oder Abkantmaschinen oder Bohrern bearbeitet hat und nun statt dessen eine CNC-gesteuerte Maschine einsetzt, die alle vorgenannten Funktionen unter Einsatz von Lasertechnik erfüllt.
Es ist insoweit also auch für die Beurteilung der Frage der Übertragbarkeit der stillen Reserven durch Bildung einer Rücklage zu vergleichen, ob die wieder beschafften oder wiederhergestellten Sachen die zerstörten oder beschädigten Sachen vollständig oder nur teilweise substituieren. Das ist auch im steuerrechtlichen Bereich eine Frage des jeweiligen Einzelfalls und ausschließlich anhand der technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten hinsichtlich der konkreten Sache und deren betrieblicher Funktion im konkreten Betriebsablauf des versicherten Betriebes zu beurteilen.