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Versicherungsrecht: Vorsicht vor Nettopolicen mit unabhängiger Vergütungsvereinbarung

LG Stuttgart bekräftigt Aufklärungspflicht des Versicherungsvermittlers bei Lebensversicherungsverträgen mit separater Vergütungsvereinbarung bzw. "Kostenausgleichsvereinbarung"

14.01.2012

Im Versicherungsvertrieb ist es üblich, dass der Versicherungsnehmer bei Abschluss eines Versicherungsvertrages dem Versicherungsvermittler, insbesondere dem Versicherungsmakler, kein Honorar bezahlt. Der Versicherungsvermittler erhält stattdessen eine Provision von der Versicherung.

Auf diese Weise weiß der Kunde allerdings in der Regel nicht, wie hoch die tatsächlichen Vertriebskosten für den von ihm abgeschlossenen Versicherungsvertrag tatsächlich sind. Er muss sie zwar nicht direkt bezahlen, hat diese Kosten jedoch im wirtschaftlichen Endergebnis dennoch zu tragen. So werden beispielsweise in den ersten Jahren nach Vertragsschluss die monatlichen Prämien, die der Kunde in einen Lebensversicherungsvertrag einzahlt, nur zu einem Teil zur Kapitalbildung angelegt. Der Rest wird für die Deckung der Vertragsabschlusskosten verwendet.

Ein anderer Weg ist die so genannte Nettopolice. Hier erhält der Versicherungsmakler keine Provision durch den Versicherer. Vielmehr schließt der Versicherungsmakler mit dem Kunden eine Honorarvereinbarung ab, wonach der Kunde den Makler für seine Beratungstätigkeit direkt bezahlt. Im Idealfall kann der Kunde auf diese Weise sicher sein, dass er für sein Geld eine von den Provisionsinteressen des Maklers unabhängige, also möglichst objektive Beratungsdienstleistung erhält.

In der Praxis ist jedoch Vorsicht geboten. Gelegentlich werden Honorarvereinbarungen abgeschlossen, bei denen der Makler im Ergebnis eine wesentlich höhere Vergütung von Kunden kassiert, als er an Provision vom Versicherer je erhalten hätte. Darüber hinaus gibt es Verkaufsmodelle, bei denen eine Honorarvereinbarung gezielt für die Vermittlung eines einzigen bestimmten Lebensversicherungsprodukts einer einzigen Versicherungsgesellschaft geschlossen wird. Mit diesem Modell vermittelte z.B. die Vertriebsgesellschaft Afina exklusiv ein Lebensversicherungsprodukt der Atlanticlux Lebensversicherungsgesellschaft. Auch die AFA AG arbeitet auf Basis eines solchen Modells mit der PrismaLife AG zusammen.

Auf diese Weise entfällt für den Kunden der Vorteil der erhofften unabhängigen Beratung gegen Honorar vollständig. Er hat es dann nicht mit einem unabhängigen Vermittler zu tun, der für sein Beraterhonorar mehrere Lebensversicherungsgesellschaften miteinander vergleicht. Vielmehr zahlt er ein Beratungshonorar, das durchaus mehrere tausend Euro betragen kann, ohne dass ihm tatsächlich ein Vergleich geboten wird. Als weiteren Nachteil kauft der Kunde damit das so genannte Stornorisiko ein: Stellt er später fest, dass er sich für das falsche Produkt entschieden hat, kann er zwar den Lebensversicherungsvertrag kündigen; trotzdem schuldet er dann dem Vermittler dessen volles Honorar.

Der Bundesgerichtshof hat zwar das Verkaufsmodell der Nettopolice grundsätzlich für wirksam erklärt. Dennoch gibt es im Einzelfall verschiedene Möglichkeiten, sich gegen die überhöhten Honorarforderungen zur Wehr zu setzen. Erfolgversprechender Ansatzpunkt ist häufig ein Schadenersatzanspruch wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten.

So hat das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 25.10.2011 (Az. 22 O 161/11) zu Gunsten des von uns vertretenen Versicherungskunden entschieden: „Bei Lebensversicherungen darf es ohne weiteres als gesichertes Allgemeinwissen eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers angesehen werden, dass eine Kündigung einer solchen Versicherung in den ersten Jahren einen großen Verlust zeitigt, da insoweit geleistete Prämien zu einem großen Teil von den Abschlusskosten aufgezehrt werden. Es gehört aber ebenso zum Allgemeinwissen, dass im Falle einer solch nachteiligen Kündigung zumindest jedwede Zahlungsverpflichtung für die Zukunft entfällt. Dies ist bei der im vorliegenden Fall gewählten Konstruktion nicht so, weshalb bereits aus diesen Gründen eine Pflicht zur Aufklärung anzuerkennen ist (…) Des Weiteren ist im vorliegenden Fall noch als ungewöhnlicher, eine Aufklärungspflicht begründender Umstand anzuerkennen, dass die Vergütung der Klägerin in 60 Monatsraten inklusive eines Teilzahlungszuschlages bezahlt und die Versicherungsprämien in diesen Zeitraum erheblich, nämlich um zwei Drittel reduziert werden sollte. Durch diese Konsumtion werden die Vorteile der Nettopolice, die darin bestehen, dass von Anfang an eine Kapitalstock aufgebaut wird, aufgrund der sehr geringen Beitragszahlung wieder nahezu neutralisieren des verbleibt im Wesentlichen nur der Nachteil der vom Fortbestand des Versicherungsvertrages unabhängigen Vergütungsverpflichtung.“

Wird über diese Besonderheiten vom Vermittler nicht aufgeklärt, muss der Kunde im Ergebnis die oft überhöhte Honorarforderung beim Nettopolicenmodell oft nicht bezahlen. Hier stehen wir Ihnen als Rechtsanwälte auch über Stuttgart hinaus mit Beratung und außergerichtlicher sowie gerichtlicher Vertretung gerne zur Verfügung.