- Rechtsgebiet:
- Versicherungsrecht
- Unfallversicherung
Versicherungsrecht, Private Unfallversicherung: OLG Nürnberg, Urteil vom 19.05.2011, 8 U 1906/10, Eintrittspflicht bei Tod durch Tauchunfall, Ertrinkungstod, Badetod, Badewannentod, Ertrinken, Beweislast, Beweismaß, Ausschlusstatbestand
Zum Anspruch aus der privaten Unfallversicherung, wenn in Betracht zu ziehen ist, dass dem Ertrinkungstod des Versicherten beim Tauchen ein innerer Vorgang (hier: Funktionsbeeinträchtigung des Herzens und dadurch verursachte Bewusstseinsstörung) vorausgegangen ist.
Der Versicherte starb beim Tauchen in einem Binnensee. Der Anspruchsteller, der den Versicherten beerbt hatte, vertrat die Ansicht, es habe sich bei dem zum Tod des Versicherten führenden Geschehen um einen Tauchunfall gehandelt und machte aus dem bestehenden Unfallversicherungsvertrag die vereinbarte Todesfallleistung geltend. Dem streitgegenständlichen Unfallversicherungsvertrag lagen die AUB 88 zu Grunde.
Der Beklagte Versicherer hat das Vorliegen eines bedingungsgemäßen Unfalles bestritten und weiter geltend gemacht, am Anfang der Kausalkette, die zum Tod des Versicherten geführt habe, habe kein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis gestanden, sondern ein körperinterner Vorgang, nämlich ein Herzversagen. Dieses habe zur Bewusstlosigkeit geführt. Deren Folgen hätten dann, weil der Bewusstseinsverlust unter Wasser eingetreten war, zum Tod geführt.
Das Landgericht Regensburg hatte die Klage abgewiesen, im Ergebnis zutreffend, allerdings mit einer Begründung die das gefundene Ergebnis als Zufallsergebnis erscheinen lässt, weil die Begründung einer Überprüfung anhand der vom BGH entwickelten maßgeblichen Grundsätze zur Eintrittspflicht des Versicherers bei Tod durch Ertrinken – BGH Urteil vom 22.06.1977, IV ZR 128/75 (VersR 1977, 736, 737) - nicht Stand hält.
Das OLG Nürnberg hat die Entscheidung des Landgerichts Regensburg zwar, nach Durchführung einer in erster Instanz versäumten Beweisaufnahme, gehalten, allerdings mit zutreffender Begründung versehen, sozusagen vom Kopf auf die Beine gestellt, indem es die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ertrinkungstod, insbesondere den Unfallbegriff, die daraus resultierende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast und die Anforderungen an den Nachweis des Unfallereignisses und des Vorliegens der tatsächlichen Voraussetzungen eines Ausschlusstatbestandes nahezu zutreffend angewandt hat. Das Urteil folgt zunächst hinsichtlich des Ertrinkungstodes der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ( Urteil v. 22.06.1977; IV ZR 128/75 ), nach der beim Tod durch Ertrinken immer ein Unfall vorliege, ohne dass es dabei auf die Ursache des Ertrinkens ankäme, weil das von außen auf den Körper wirkende Ereignis, das den Tod unmittelbar verursache, das Eindringen von Wasser in den Kehlkopf sei (die „Schwelle“ vom Körperäußeren zum Körperinneren liegt eben nicht im Mund sondern im Kehlkopf). Das ist gefestigte Rechtsprechung. Nicht gefolgt werden kann dem OLG Nürnberg lediglich soweit es unter Berufung auf die Kommentierung von Grimm (Grimm, Unfallversicherung, AUB 99 Nr. 1 Rdnr. 33, zitiert nach beck-online) anführt, dass die Erkenntnis, dass nahezu jeder Tod im Wasser mit einer Ertrinkungsphase einherginge, es sich jedoch verbiete, jede Wasseraspiration mit Ertrinken und Unfall gleichzusetzen, weil eine Wasseraspiration auch hätte stattfinden können, wenn der Tod durch körperinnere Vorgänge verursacht worden wäre. Vielmehr kann ein Unfall durch Ertrinken nur angenommen werden, wenn die zum Ertrinken führende Kausalkette bereits vorher mit einem Geschehen außerhalb des Körpers begonnen habe. Hier wird die Problematik der Definition des Unfallbegriffes, der Feststellung des Unfallereignisses beim Ertrinkungstod und der Frage der Kausalität des bedingungsgemäßen Unfalles für die anspruchsauslösende Gesundheitsschädigung ( Invalidität oder eben Tod) einerseits vermengt mit andererseits der Problematik der Kausalität von dem Unfallereignis vorausgehenden Ereignissen, die zum Ertrinken geführt haben und möglicherweise geeignet sind, zum Eingreifen eines Ausschlusstatbestandes zu führen. Die Lösung dieser Problematik ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht auf der Ebene des Begriffes des bedingungsgemäßen Unfalls zu suchen sondern kann nur auf prozessualer Ebene im nämlich durch die präzise Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gefunden werden, wie dies beispielhaft in der zitierten Entscheidung des OLG Stuttgart vom 27.07.2006, 7 U 208/05 demonstriert worden ist. Dass das OLG Nürnberg diese Grundsätze nicht ganz zutreffend anwenden konnte, zeigt sich an der Zulassung der Revision, zur Klärung einer Rechtsfrage von nur scheinbar grundsätzlicher Bedeutung, ob nämlich die zur Eintrittspflicht des Unfallversicherers aufgestellten Grundsätze nur im Fall eines „typischen Ertrinkens oder auch für einen Fall des atypischen Ertrinkens“ gelten.
In der medizinische Literatur werden gelegentlich die Fälle des Ertrinkens, denen ein Sachverhalt vorausgeht, der nach den Kriterien des Versicherungsvertragsrechts einen Ausschluss begründen würde, z. B. eben gerade die Fälle, in denen innere/natürliche Ursachen den vom Ertrinken betroffenen am Auftauchen hindern, wie reflektorische Kreislaufdepression, Krankheit (Herzinfarkt, Schlaganfall, Thromboembolie), Intoxikation, oder Laryngospasmus, als Fälle des atypischen Ertrinkens bezeichnet. Diese Terminologie dient aber lediglich der medizinischen Klassifikation von Ertrinkungssachverhalten, ändert aber nichts daran, dass nach den juristischen Kriterien des Bundesgerichtshofes in allen diesen Fällen zunächst einmal die unmittelbare Ursache des Ertrinkungstodes das Eindringen von Wasser in den Kehlkopf des Betroffenen ist. Dieser Sachverhalt und dessen Kausalität für den Eintritt des Todes ist vom Anspruchsteller zu beweisen, wobei der Nachweis der Mitursächlichkeit wie sonst auch ausreicht. Es ist dann Sache des Versicherers den Nachweis zu führen, dass das Eindringen des Wassers durch einen Umstand verursacht ist (also eine Kausalkette in Gang gesetzt ist) der von der Versicherungsdeckung ausgeschlossen ist.