- Rechtsgebiet:
- Versicherungsrecht
- Rechtsschutzversicherung
Rechtsschutzversicherung, ARB 2002, Rechtsanwaltsvergütung: Fordert der Anwalt im Bußgeldverfahren die Bußgeldakte zur Einsichtnahme an, hat der Rechtsschutzversicherer die Aktenversendungspauschale und die darauf anfallende Mehrwertsteuer zu erstatten.
BGH Urteil vom 06. April 2011 – IV ZR 232/08: In dem Rechtsstreit, der mit diesem Urteil entschieden worden ist, wurde um den Betrag von 2,28 € durch drei Instanzen gestritten! Gleichwohl waren hier keine Querulanten am Werke, da die umstrittene Rechtsfrage von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die Rechtsschutzversicherer war.
Ein erheblicher Teil aller Rechtsschutzfälle erfordert im Rahmen der anwaltlichen Bearbeitung die – teils wiederholte- Einsichtnahme in Gerichts- und Behördenakten, insbesondere im Bereich des des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts und der außergerichtlichen Schadensregulierung in der Schadensversicherung (KfZ-Schäden, Brandschäden etc.), nicht selten aber auch in gewöhnlichen Zivilverfahren. Für gewöhnlich fordert der sachbearbeitende Anwalt aus Gründen der Arbeitsökonomie die Akten zur Einsichtnahme in seine Kanzlei an und es werden ihm auf entsprechenden Antrag diese auch übersandt. Dafür entsteht nach dem OWiG und dem GKG (Gerichtskostengesetz) eine Pauschalgebühr in Höhe von derzeit 12,-- €, die demjenigen in Rechnung gestellt wird, der die Aktenversendung veranlasst hat, in der Regel also dem Anwalt. Diese Aktenversendungspauschale ist nicht mit den allgemeinen Geschäfts- oder Verfahrensgebühren, bzw. Grund- und Verfahrensgebühren abgegolten, sondern kann vom Anwalt gegenüber dem Mandanten abgerechnet werden, weil der Anspruch auf Ersatz solcher Auslagen zu der gesetzlichen Vergütung des Anwalts zählt. Streitig war nun die Rechtsfrage ob diese Aktenversendungspauschale bei Abrechnung an den Mandanten der gesetzlichen Mehrwertsteuer unterliegt, weil der Anwalt die Aktenversendung veranlasst hatte, oder nicht mit Mehrwertsteuer beaufschlagt werden muss, weil Antragsteller der Mandant, der Anwalt lediglich Bevollmächtigter ist. Wirtschaftlich ging es in dem vorliegenden Rechtsstreit daher keineswegs um eine Petitesse. Bei Beitragseinnahmen von rund € 3,25 Mrd. und einem Schadensaufwand von rund € 2,34 Mrd. in der Rechtsschutzversicherung im Jahr 2010 dürfte allein der Aufwand an Mehrwertsteuer auf die Aktenversendungspauschale für die nicht vorsteuerabzugsberechtigten Rechtsschutzversicherer etwa bei 0,5% des Schadensaufwandes oder rund € 6 Mio. liegen. Da lohnt sich das Streiten dann doch. Der Senat ist allerdings der Argumentation des Beklagten, in Düsseldorf beheimateten Rechtsschutzversicherers nicht gefolgt. Er stellt die Verpflichtung des Rechtsschutzversicherers zur Zahlung der auf die Aktenversendungspauschale anfallenden Mehrwertsteuer mit einer kappen Begründung fest. Folgende amtliche Leitsätze stellt der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshof seiner Entscheidung voran:
1.Schuldner der nach den §§ 28 Abs. 2 GKG, 107 Abs. 5 OWiG erhobenen Aktenversendungspauschale ist allein derjenige, der mit seiner Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle die Aktenversendung unmittelbar veranlasst.
2.Die Inrechnungstellung der vom Rechtsanwalt verauslagten Aktenversendungspauschale unterliegt nach § 10 Abs. 1 UStG der Umsatzsteuer. Es liegt insoweit kein durchlaufender Posten i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG vor.
3.Die auf die Aktenversendungspauschale entfallende Umsatzsteuer zählt deshalb zur gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts, die der Rechtsschutzversicherer seinem Versicherungsnehmer nach §§ 1, 5 (1) Buchst. a der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (hier ARB 2002) zu erstatten hat. Der Senat: "1. Der Kläger hat bei dem hier unstreitigen Versicherungsfall im Inland nach §§ 1, 5 (1) Buchst. a ARB 2002 Anspruch auf Erstattung der Vergütung eines für ihn tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung, die sich nach § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG aus den Rechts-anwaltsgebühren und Auslagen zusammensetzt und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG insgesamt der Umsatzsteuer unterliegt.
2. Die aufgrund von § 107 Abs. 5 OWiG von den Behörden erhobene Aktenversendungspauschale kann der Rechtsanwalt seinem Mandanten als Auslage gesondert in Rechnung stellen. Sie unterfällt weder den mit den Rechtsanwaltsgebühren abgegoltenen (§ 15 Abs. 1 RVG) allgemeinen Geschäftskosten des Rechtsanwalts (Volpert in Burhoff, RVG 2. Aufl. S. 64; Schmidt in Burhoff, RVG 2. Aufl. S. 1516; Hartung in Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl. Vorbem. 7 VV Rn. 9; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 17. Aufl. Vorbem. 7 VV Rn. 8; Schneider in AnwK, RVG 2. Aufl. Vorbem. 7 VV Rn. 29 f.; Bohnenkamp, JurBüro 2007, 569 f.), noch ist sie von der Post- und Telekommunikationspauschale des § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7002 VV abgedeckt (vgl. zur früheren Rechtslage nach § 26 Satz 2 BRAGO: OLG Düsseldorf RPfleger 2002, 224, 225).
3. Die vom Rechtsanwalt verauslagte Aktenversendungspauschale unterliegt bereits nach § 10 Abs. 1 UStG und nicht allein infolge der Inrechnungstellung (§ 14c Abs. 2 UStG i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG) der Umsatzsteuer. Es liegt auch kein durchlaufender Posten i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG vor. Danach gehören nur Beträge, die der Unternehmer (hier der Rechtsanwalt) im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt, nicht zum Entgelt."
§ 107 OWiG Gebühren und Auslagen
…..
(5)Von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, werden je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12 Euro als Auslagen erhoben. Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, beträgt die Pauschale 5 Euro.
§ 28 GKG Auslagen in weiteren Fällen
…..
(2)Die Auslagen nach Nummer 9003 des Kostenverzeichnisses schuldet nur, wer die Versendung oder die elektronische Übermittlung der Akte beantragt hat.
GKVerz.
9003 Pauschale für
1. die Versendung von Akten auf Antrag je Sendung 12,00 EUR
2. die elektronische Übermittlung einer elektronisch geführten Akte auf Antrag 5,00 EUR
(1)Die Hin- und Rücksendung der Akten durch Gerichte oder Staatsanwaltschaften
gelten zusammen als eine Sendung.
§ 10 UStG Bemessungsgrundlage für Lieferungen, sonstige Leistungen und innergemeinschaftliche Erwerbe
(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt.