• Rechtsgebiet:
  • Verkehrsunfall
  • Versicherungsrecht

Nur die vollständige und fachgerechte Reparatur eines Unfallfahrzeuges rechtfertigt den Ersatz von Reparaturkosten bis zur 130 % - Grenze

BGH Urteil vom 15.02.2005 – VI ZR 70/04: Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs kann nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (Fortführung des Senatsurteils BGHZ 154, 395 ff.).

05.03.2005

Der u. a. für das Kfz-Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte am 15.02.2005 in zwei Verfahren über die  Revisionen von Klägern zu entscheiden, die Schadensersatz für ihre bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeuge begehrten.
Nach der Konzeption des Gesetzes hat im Schadensersatzrecht der Geschädigte Anspruch auf die volle Kompensation des ihm entstandenen Schadens, nicht weniger und – im Prinzip - auch nicht mehr. Wird eine Sache beschädigt oder zerstört, so kann der Geschädigte eben die Kosten der Reparatur dieser Sache erstattet verlangen, sofern diese wirtschaftlich ist, oder aber den Betrag, der erforderlich ist, um eine wirtschaftlich vergleichbare Sache wieder zu beschaffen. Grenze des Entschädigungsanspruchs ist im Grundsatz immer der Wiederbeschaffungswert oder der tatsächliche Reparaturaufwand, in den Fällen des wirt-schaftlichen Totalschadens aber ebenfalls begrenzt auf den Wiederbeschaffungswert der beschädigten oder zerstörten Sache, denn im Schadensersatzrecht gilt der Grundsatz des Bereicherungsverbots: der Geschädigte soll am Schaden nichts verdienen. Das ist einleuch-tend, da ja der maximale wirtschaftliche Schaden bei Totalverlust nur der „Wert“ der Sache sein kann.

Nicht unbedingt so beim Automobil. Dort gewährt die Rechtsprechung bei Beschädigung des liebgewonnen Blechs einen sogenannten Integritätszuschlag von 30 %. Nach der Recht-sprechung des Senats kann der Geschädigte, der nach einem Unfall sein Kfz reparieren lässt und damit sein Interesse an dessen Erhalt bekundet, gem. § 249 S. 2 BGB vom Schädiger den zur Instandsetzung erforderlichen Geldbetrag verlangen, sofern sich die Reparaturkosten auf nicht mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswerts des Fahrzeugs belaufen (BGHZ 115, 364 [371 ff.] = VersR 1992, 61 [63]; 115, 375 [380] = VersR 1992, 64 [65]; Senat vom 17. 3. 1992  - VI ZR 226/91 - VersR 1992, 710).

Der Geschädigte darf also für die Reparatur seines Fahrzeuges bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes ausgeben, damit er sein gewohntes Fahrzeug weiterhin nutzen kann. Es steht Integritätsinteresse gegen Wirtschaftlichkeitsgebot.

Da jeder Eigentümer einer beschädigten Sache, mit dieser Sache nach Belieben Verfahren kann, ist es bislang anerkanntes geltendes Recht, dass der Geschädigte mit der Entschädi-gung machen kann, was ihm beliebt. Er muss also das Geld nicht verwenden um ein Fahr-zeug wieder zu beschaffen oder sein beschädigtes Fahrzeug reparieren zu lassen. Die Ab-rechnung des Schadens erfolgt in der Regel auf der Grundlage der entweder vom Geschädig-ten oder dem Haftpflichtversicherer des Schädigers eingeholten Sachverständigengutachten. Der Vorgang der Regulierung erfolgt also auf Gutachtenbasis.

Es lag also nahe, die Rechtsprechung des BGH zur Abrechnung auf Gutachtenbasis mit dem Vorteil der Rechtsprechung des BGH zum Integritätszuschlag zu kombinieren und ohne Reparatur die Reparaturkosten auf Gutachtenbasis inkl. Integritätszuschlag zu liquidieren, obwohl sich aus dem Gang der Begründung und dem Wortlaut der grundlegenden Entschei-dung des VI. Zivilsenats, BGH, Urt. vom 15. Oktober 1991, VI ZR 314/90 als Voraussetzung des Anspruchs ergibt, dass die Reparatur auch tatsächlich durchgeführt wird. Mit dieser Fallgestaltung hatte sich der Senat in der vorliegenden Sache und der ebenfalls am 15.02.2015 entschiedenen Sache VI ZR 172/04 zu befassen.

Die Kosten für eine fachgerechte und vollständige Reparatur lagen in den beiden zu ent-scheidenden Fällen nach der Schätzung der Gutachter jeweils über dem Wiederbeschaffungswert, ohne die Grenze von 130% des Wiederbeschaffungswerts zu übersteigen. Beide Kläger hatten ihr Fahrzeug mittels einer Teilreparatur in einen fahrbereiten und verkehrs-tüchtigen Zustand versetzt. Sie wollten gegenüber den ersatzpflichtigen Beklagten den Scha-den auf der Basis der jeweiligen Sachverständigengutachten abrechnen und verlangten Re-paraturkosten, die den Wiederbeschaffungswert übersteigen.

Dem hat der Senat einen Riegel vorgeschoben:

„Entgegen der Auffassung der Revision können Umfang und Qualität der Reparatur nicht schon deshalb außer Betracht bleiben, weil der Geschädigte sein Fahrzeug selbst instand setzen darf, also nicht in einer anerkannten Fachwerkstatt reparieren lassen muß. Insoweit ist nicht maßgebend, ob dem Geschädigten der entsprechende finanzielle Aufwand tatsäch-lich entstanden ist. Auch eine Eigenreparatur kann eine Abrechnung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten bis zu 130% des Wiederbeschaffungswerts rechtfertigen, wenn der Ge-schädigte mit ihr sein Integritätsinteresse bekundet hat. Das aber ist nur dann der Fall, wenn er durch eine fachgerechte Reparatur zum Ausdruck bringt, daß er das Fahrzeug in einen Zustand wie vor dem Unfall versetzen will. Nur unter diesen Umständen hat der Schädiger Reparaturkostenersatz bis zur Grenze von 130% des Wiederbeschaffungswerts zu leisten.“

„Setzt jedoch der Geschädigte nach einem Unfall sein Kraftfahrzeug nicht vollständig und fachgerecht instand, ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbe-schaffungswert nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Wert der Sache wäre eine solche Art der Wiederherstellung im allgemeinen unverhältnismäßig und kann dem Geschädigten nur ausnahmsweise im Hinblick darauf zugebilligt werden, daß der für ihn gewohnte und von ihm gewünschte Zustand des Kraftfahrzeugs auch tatsächlich wie vor dem Schadensfall er-halten bleibt bzw. wiederhergestellt wird (vgl. Senatsurteile vom 20. Juni 1972 - VI ZR 61/71 - VersR 1972, 1024 f.; vom 5. März 1985 - VI ZR 204/83 - VersR 1985, 593, 594; Lipp, NJW 1990, 104, 105; Medicus, Jus 1973, aaO).
Stellt der Geschädigte lediglich die Fahrbereitschaft, nicht aber den früheren Zustand des Fahrzeugs wieder her, so beweist er dadurch zwar ein Interesse an der Mobilität durch sein Fahrzeug, das jedoch in vergleichbarer Weise auch durch eine Ersatzbeschaffung befriedigt werden könnte. Der für die Zubilligung der "Integritätsspitze" von 30% ausschlaggebende weitere Gesichtspunkt, daß der Geschädigte besonderen Wert auf das ihm vertraute Fahrzeug lege (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 66/98 - aaO), verliert bei einer unvollständigen und vor allem nicht fachgerechten Reparatur eines total beschädigten Fahr-zeugs in entscheidendem Maß an Bedeutung.“

§ 249 BGBArt und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbet-rag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
§ 251 BGB Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung
(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genü-gend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines ver-letzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.

Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung AKB Fassung Oktober 2004 (Musterbedingungen GDV)

§ 10 Umfang der Versicherung
(1)    Die Versicherung umfaßt die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründe-ter Schadenersatzansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privat-rechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch den Gebrauch des im Vertrag bezeichneten Fahrzeugs
a)    Personen verletzt oder getötet werden,
b)    Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen,
c)    Vermögensschäden herbeigeführt werden, die weder mit einem Personen- noch mit einem Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen.