- Rechtsgebiet:
- Haftpflichtversicherung
- Verkehrsunfall
Kein Anspruch auf Erstattung von Reperaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeuges übersteigen, ohne tatsächlich durchgeführte, fachgerechte Reparatur entsprechend Sachverständigengutachten
BGH Urteil vom 15.02.2005 – VI ZR 172/04: Übersteigt der Kraftfahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs, können dem Geschädigten Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen, grundsätzlich nur dann zuerkannt werden, wenn diese Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt. Anderenfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt.
Der u. a. für das Kfz-Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte am 15.02.2005 in zwei Verfahren über die Revisionen von Klägern zu entscheiden, die Schadensersatz für ihre bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeuge begehrten.
Nach der Konzeption des Gesetzes hat im Schadensersatzrecht der Geschädigte Anspruch auf die volle Kompensation des ihm entstandenen Schadens, nicht weniger und – im Prinzip - auch nicht mehr. Wird eine Sache beschädigt oder zerstört, so kann der Geschädigte eben die Kosten der Reparatur dieser Sache erstattet verlangen, sofern diese wirtschaftlich ist, oder aber den Betrag, der erforderlich ist, um eine wirtschaftlich vergleichbare Sache wieder zu beschaffen. Grenze des Entschädigungsanspruchs ist im Grundsatz immer der Wiederbeschaffungsaufwand oder der tatsächliche Reparturaufwand, in den Fällen des wirtschaftlichen Totalschadens aber ebenfalls begrenzt auf den Wiederbeschaffungsaufwand der beschädigten oder zerstörten Sache, denn im Schadensersatzrecht gilt der Grundsatz des Bereicherungsverbots: der Geschädigte soll am Schaden nichts verdienen. Das ist einleuchtend, da ja der maximale wirtschaftliche Schaden bei Totalverlust nur der „wirtschaftliche Wert“ der Sache sein kann.
Nicht unbedingt so beim Automobil. Dort gewährt die Rechtsprechung bei Beschädigung des liebgewonnen Blechs einen sogenannten Integritätszuschlag von 30 %. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Geschädigte, der nach einem Unfall sein Kfz reparieren lässt und damit sein Interesse an dessen Erhalt bekundet, gem. § 249 S. 2 BGB vom Schädiger den zur Instandsetzung erforderlichen Geldbetrag verlangen, sofern sich die Reparaturkosten auf nicht mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswerts des Fahrzeugs belaufen (BGHZ 115, 364 [371 ff.] = VersR 1992, 61 [63]; 115, 375 [380] = VersR 1992, 64 [65]; Senat vom 17. 3. 1992 - VI ZR 226/91 - VersR 1992, 710).
Der Geschädigte darf also für die Reparatur seines Fahrzeuges bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes ausgeben, damit er sein gewohntes Fahrzeug weiterhin nutzen kann. Es steht Integritätsinteresse gegen Wirtschaftlichkeitsgebot.
Da jeder Eigentümer einer beschädigten Sache mit dieser Sache nach Belieben Verfahren kann, ist es bislang noch anerkanntes geltendes Recht, dass der Geschädigte mit der Entschädigung machen kann, was ihm beliebt. Er muss also das Geld nicht verwenden, um ein Fahrzeug wieder zu beschaffen oder sein beschädigtes Fahrzeug reparieren zu lassen. Die Abrechnung des Schadens erfolgt in der Regel auf der Grundlage der entweder vom Geschädigten oder dem Haftpflichtversicherer des Schädigers eingeholten Sachverständigengutachten. Der Vorgang der Regulierung erfolgt also auf Gutachtenbasis.
Es lag demzufolge nahe, die Rechtsprechung des BGH zur Abrechnung auf Gutachtenbasis mit dem Vorteil der Rechtsprechung des BGH zum Integritätszuschlag zu kombinieren und ohne Reparatur oder nach notdürftiger Instandsetzung die Reparaturkosten auf Gutachtenbasis inkl. Integritätszuschlag zu liquidieren, obwohl sich aus dem Gang der Begründung und dem Wortlaut der grundlegenden Entscheidung des VI. Zivilsenats, BGH, Urt. vom 15. Oktober 1991, VI ZR 314/90 als Voraussetzung des Anspruchs ergibt, dass die Reparatur auch tatsächlich durchgeführt wird. Mit dieser Fallgestaltung hatte sich der Senat in der vorliegenden Sache und der ebenfalls am 15.02.2015 entschiedenen Sache VI ZR 70/04 zu befassen.
Die Kosten für eine fachgerechte und vollständige Reparatur lagen in den beiden zu entscheidenden Fällen nach der Schätzung der Gutachter jeweils über dem Wiederbeschaffungswert, ohne die Grenze von 130% des Wiederbeschaffungswerts zu übersteigen. Beide Kläger hatten ihr Fahrzeug mittels einer Teilreparatur in einen fahrbereiten und verkehrstüchtigen Zustand versetzt. Sie wollten gegenüber den ersatzpflichtigen Beklagten den Schaden auf der Basis der jeweiligen Sachverständigengutachten abrechnen und verlangten Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert übersteigen. Dem hat der Senat einen Riegel vorgeschoben:
"Repariert der Geschädigte - wie im Streitfall - sein Fahrzeug nicht fachgerecht oder nur unvollständig, beweist er zwar durch die Weiternutzung des unvollständig reparierten Fahrzeugs sein Interesse an der Mobilität. Dieses kann aber im allgemeinen durch die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs in vergleichbarer Weise befriedigt werden. Hingegen kommt in einem solchen Fall dem für den fraglichen Zuschlag maßgeblichen Gesichtspunkt, daß der Geschädigte besonderen Wert auf das vertraute Fahrzeug lege, weil dieses zuverlässig und gut gewartet sei, was er im Falle eines Gebrauchtwagenkaufs unter Umständen missen müßte (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 66/98 - aaO), keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Übersteigt der erforderliche Reparaturaufwand den Fahrzeugwert, kann deshalb - nach den im Senatsurteil vom heutigen Tag (VI ZR 70/04) dargelegten Grundsätzen - Ersatz dieses Reparaturaufwands nur verlangt werden, wenn der Geschädigte durch eine qualifizierte Reparatur der oben beschriebenen Art sein Integritätsinteresse nachweist. Entspricht die Reparatur diesen Anforderungen nicht, kann eine fiktive Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nur bis zur Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands erfolgen. Ein darüber hinausgehender Schadensausgleich ließe das Gebot der Wirtschaftlichkeit und das Verbot der Bereicherung außer Acht." § 249 BGB Art und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbet-rag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. § 251 BGB Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung
(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genü-gend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines ver-letzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.
Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung AKB Fassung Oktober 2004 (Musterbe-dingungen GDV)
§ 10 Umfang der Versicherung
(1) Die Versicherung umfaßt die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründe-ter Schadenersatzansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privat-rechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch den Gebrauch des im Vertrag bezeichneten Fahrzeugs
a) Personen verletzt oder getötet werden,
b) Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen,
c) Vermögensschäden herbeigeführt werden, die weder mit einem Personen- noch mit einem Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen.