• Rechtsgebiet:
  • Versicherungsrecht
  • D&O-Versicherung

D&O-Versicherung; Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA) Nr. 9.2.1, 9.2.2; VVG a.F. §§ 27, 28, Aufsichtsrat, Vorstand, Geschäftsführer, Managerhaftung

Für die Anzeigepflicht bei einer nicht veranlassten Gefahrerhöhung enthalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA) eine abschließende Regelung, die einen Rückgriff auf die gesetzlichen Vorschriften der §§ 27, 28 VVG a.F. ausschließt.

22.10.2012

Der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat hat vorliegend einen Fall zu entscheiden gehabt, in dem es nur vordergründig um spezifische Fragen der D&O-Versicherung geht, etwa den Versicherungsfallbegriff und das Verständnis der nicht veranlassten Gefahrerhöhung in der D&O-Versicherung und deren Verhältnis zu den Vorschriften des VVG a.F. zur nicht veranlassten Gefahrerhöhung. Die Probleme ergeben sich in gleicher Weise im Hinblick auf die Bestimmungen zur nicht veranlassten Gefahrerhöhung in den §§ 23, 24 und 26 VVG n.F. In der Sache geht es um die vertraglich vereinbarten Konsequenzen einer Gefahrerhöhung, also einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versicherungsfalles zu der der Versicherte nichts beigetragen und auf deren Entstehung und Fortbestand er keinen Einfluss hat. Das Gesetz sieht hier eine spontane Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers vor, die ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangung durch den Versicherungsnehmer zu erfüllen ist. Die Folge des Unterlassens der Anzeige kann teilweise oder vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers sein, wenn der Versicherungsfall nach Ablauf der gesetzlichen Monatsfrist eintritt. Primär handelt die vorliegende Entscheidung aber wiederum von der Kunst der Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen. Hierzu der Senat in ständiger Rechtsprechung zuletzt BGH Urteil vom 27.06.2012 IV ZR 212/10: "Versicherungsbedingungen sind nicht gesetzesähnlich, sondern so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusam-menhangs verstehen muss (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 m.w.N. und ständig). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Er wird sich in erster Linie am Bedingungswortlaut orientieren. Für eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete Auslegung ist mithin nicht maßgeblich, was sich der Verfasser der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorstellte (Senatsurteil vom 2. Oktober 1985 IVa ZR 184/83, VersR 1986, 177, 178). Die dem Versicherungsnehmer typischerweise unbekannte Entstehungsgeschichte von Versicherungsbedingungen hat bei ihrer Auslegung außer Betracht zu bleiben; auch versicherungswirtschaftliche Überlegungen können allenfalls insoweit Berücksichtigung finden, wie sie sich dem Versicherungsnehmer aus dem Bedingungswortlaut unmittelbar erschließen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 1987 IVa ZR 151/86, VersR 1988, 282 unter II; vom 18. Dezember 1991 IV ZR 204/90, VersR 1992, 349 unter 3; vom 6. März 1996 IV ZR 275/95, VersR 1996, 622 unter 3 b; vom 17. Mai 2000 IV ZR 113/99, VersR 2000, 1090 unter 2 a)." Dies alles gilt natürlich auch für die D&O-Versicherung. Der Kern der Lehre des vorliegenden Urteils ist, dass jede Bemühung um die Auslegung von Versicherungsbedingungen ihren Ausgang von der vollständigen Wahrnehmung und Kenntnisnahme der relevanten Bestimmungen des jeweiligen Bedingungswerkes zu nehmen hat, der Erarbeitung der Kenntnis seiner Struktur und des Regelungszusammenhanges in dem die einzelnen Klauseln zueinander stehen. Das war, wie das Studium der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils des OLG Frankfurt vom 20.07.2011, Az.: 7 U 7/10 erkennen lässt, den Vorinstanzen nicht vollständig gelungen. Der Senat hat dies überzeugend nachgeholt.

§ 27 VVG a.F. 

(1) Tritt nach dem Abschluß des Vertrags eine Erhöhung der Gefahr unabhängig von dem Willen des Versicherungsnehmers ein, so ist der Versicherer berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu kündigen. Die Vorschriften des § 24 Abs. 2 finden Anwendung. (2) Der Versicherungsnehmer hat, sobald er von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt, dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen.

§ 28 VVG a.F.

(1) Wird die in § 27 Abs. 2 vorgesehene Anzeige nicht unverzüglich gemacht, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen. (2) Die Verpflichtung des Versicherers bleibt bestehen, wenn ihm die Erhöhung der Gefahr in dem Zeitpunkt bekannt war, in welchem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen. Das gleiche gilt, wenn zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt ist oder wenn die Erhöhung der Gefahr keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat.

§ 23 VVG n.F.
Gefahrerhöhung

(1) Der Versicherungsnehmer darf nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten. (2) Erkennt der Versicherungsnehmer nachträglich, dass er ohne Einwilligung des Versicherers eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder gestattet hat, hat er die Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. (3) Tritt nach Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers eine Gefahrerhöhung unabhängig von seinem Willen ein, hat er die Gefahrerhöhung, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen.

§ 24 n.F.
Kündigung wegen Gefahrerhöhung

(1) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1, kann der Versicherer den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Verpflichtung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Beruht die Verletzung auf einfacher Fahrlässigkeit, kann der Versicherer unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen. (2) In den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23http://dejure.org/gesetze/VVG/23.html Abs. 2 und 3 kann der Versicherer den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen. (3) Das Kündigungsrecht nach den Absätzen 1 und 2 erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab der Kenntnis des Versicherers von der Erhöhung der Gefahr ausgeübt wird oder wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Gefahrerhöhung bestanden hat.

§ 26
Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung

(1) Tritt der Versicherungsfall nach einer Gefahrerhöhung ein, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23http://dejure.org/gesetze/VVG/23.html Abs. 1 vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer. (2) In den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 und 3 ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugegangen sein müssen, es sei denn, dem Versicherer war die Gefahrerhöhung zu diesem Zeitpunkt bekannt. Er ist zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 23 Abs. 2 und 3 nicht auf Vorsatz beruht; im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung gilt Absatz 1 Satz 2. (3) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet,

1. soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war oder

 

2. wenn zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt war.