- Rechtsgebiet:
- Gebäudeversicherung
BGH Urteil vom 25.06.2008 – IV ZR 233/06 -: Zu den Anforderungen an eine genügend häufige Kontrolle der Beheizung des versicherten Wohngebäudes in der Kalten Jahreszeit.
Keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers einer Gebäudeversicherung in der kalten Jahreszeit den Eintritt eines frostbedingten Rohrbruchs mit der Folge eines Leitungswasserschadens zu verhindern.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt mit seinem Urteil vom 25.06.2008 eine Entscheidung des OLG Celle auf, die sich in völliger Übereinstimmung mit der bisher ständigen Rechtsprechung der Instanzgerichte befand, weshalb die Entscheidung des u. a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständigen IV. Zivilsenats, zumindest aus Sicht der Vertreter der Versicherungswirtschaft, überraschend erscheint. Diese Entscheidung kann aber diejenigen, die die Entwicklung der Rechtsprechung des Senats zur Auslegung von Versicherungsbedingungen mit vollzogen haben nicht verblüffen.Es wird hier eine lange überfällige Korrektur einer völlig intransparenten Vertrags- und Regulierungspraxis frostbedingter Leitungswasserschäden eingeleitet. Konkret geht es um die Auslegung einer Versicherungsbedingung, die dem Versicherungsnehmer eine Obliegenheit aufbürdet – Sicherheitsvorschrift- die er vor Eintritt des Versicherungsfalles zur Vermeidung eben des Eintritts des befürchteten Risikos zu beachten hat, nämlich um die Bedingung in § 11 Nr. 1 lit. c und d VGB 88. Nach dieser Klauseln hat der Versicherungsnehmer "c) nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten;
d) … in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und dies genügend häufig zu kontrollieren oder dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten." Die Rechtsprechung der Instanzgerichte ging bisher dahin, dass den Versicherungsnehmer, nach dem ohne weiteres erkennbaren Zweck dieser Sicherheitsvorschrift, eine Obliegenheit treffe, die Heizung so häufig und so intensiv zu kontrollieren, dass auch bei einem unvorhergesehenen Ausfall der Heizung ein Frostschaden möglichst vermieden werden kann. In der Praxis lief das fast immer darauf hinaus, dass dann, wenn als Ursache für einen Leitungswasserschaden ein frostbedingter Rohrbruch festgestellt worden ist, damit die Feststellung der zumindest grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung einherging, weil allein durch den Eintritt des Frostschadens als erwiesen angesehen wurde, dass nicht häufig genug kontrolliert worden sei, was sich ja gerade daran erweise, dass es zum frostbedingten Rohrbruch gekommen sei, denn wäre nur genügend häufig kontrolliert worden, hätte es ja gar nicht zum Einfrieren der geborstenen schadensursächlichen Leitungen kommen können... und so weiter…; ein klassischer Zirkelschluss (petitio principii) eben, und als solcher natürlich ohne jeden Beweiswert im Hinblick auf die Frage der schuldhaften Obliegenheitsverletzung. Das war ein Tummelplatz für auf die Abwehr an sich berechtigter Ansprüche getrimmte Schadensregulierer/Claimfighter. Dieser häufig missbräuchlich geübten Praxis hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständig ist, nun ein verdientes Ende bereitet, auch wenn man annehmen muss, dass es noch geraume Zeit dauern wird, bis diese Entscheidung in der alltäglichen Regulierungspraxis angekommen sein wird.
Ausgangspunkt für die Bestimmung des vertraglich vorausgesetzten Sicherheitsstandards, also des erforderlichen Kontrollintervalls ist die Frage, wie ein durchschnittlicher und um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer ohne juristische Spezialkenntnisse bei aufmerksamer Lektüre des Bedingungstextes und unter Berücksichtigung des Bedingungszusammenhangs und seiner Interessen die Obliegenheit
"… in der kalten Jahreszeit … Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und dies genügend häufig zu kontrollieren …" verstehen darf.
Der Senat: „Dem entsprechend bezieht sich auch die in § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88 geregelte Kontrolloblie-genheit nach dem - in erster Linie maßgeblichen - Wortlaut der Klausel allein auf die Behei-zung des Hauses. Der Versicherungsnehmer muss demnach (lediglich) genügend häufig kontrollieren, ob das Haus beheizt ist.
Entgegen der in Rechtsprechung und Literatur bisher vorherrschenden Meinung muss der durchschnittliche Versicherungsnehmer diese Obliegenheit nicht dahin verstehen, dass den Maßstab für das Kontrollintervall die Überlegung bildet, wie rasch bei ausgefallener Heizung ein Frostschaden eintreten kann (krit. dazu auch Kollhosser aaO). Denn § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88 hat - wie dargelegt - nicht zum Inhalt, dass es dem Versicherungsnehmer obläge, das versicherte Ereignis "Frostschaden" selbst nach einem plötzlichen Ausfall der Heizung nach Möglichkeit zu verhindern oder gar sicher auszuschließen.
Das jeweils erforderliche Kontrollintervall hat der Tatrichter anhand der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Maßstab für eine genügend häufige Kontrolle der Beheizung ist dabei nicht der nach einem unterstellten Heizungsausfall im ungünstigsten Falle zu erwartende Zeitablauf bis zum Schadenseintritt, sondern allein die Frage, in welchen Intervallen die jeweils eingesetzte Heizungsanlage nach der Verkehrsanschauung und Lebenserfahrung mit Blick auf ihre Bauart, ihr Alter, ihre Funktionsweise, regelmäßige Wartung, Zuverlässigkeit, Störanfälligkeit und ähnliches (vgl. dazu OLG Celle VersR 1984, 437, 438) kontrolliert werden muss, um ein reibungsloses Funktionieren nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu gewährleisten. Das hat der Tatrichter anhand der Fallumstände notfalls mit sachverständiger Hilfe zu klären. Die lediglich allgemeine Erwägung, dass ungeachtet ihres ansonsten störungsfreien Funktionierens jede Heizung auch trotz ausreichender Wartung und Kontrolle jederzeit aufgrund irgendwelcher Defekte ausfallen kann, hat für die Bestimmung des Kontrollintervalls keine ausschlaggebende Bedeutung. Sie beschreibt vielmehr nur das durch die Versicherungsprämien abgegoltene, beim Versicherer verbleibende Restrisiko.“