- Rechtsgebiet:
- Haftpflichtversicherung
- Verkehrsunfall
130%-Grenze, Haftung, Haftpflicht, Schadenersatz, Integritätsinteresse, Kfz-Haftplicht, Reparaturkostenersatz, Fälligkeit, Entschädigung, 6-Monatsfrist, Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung AKB 2008
BGH Beschluss vom 18.11.2008, Az.: VI ZR 22/08 Lässt der Geschädigte den Fahrzeugschaden, der über dem Wiederbeschaffungswert, aber innerhalb der 130 %-Grenze liegt, vollständig und fachgerecht reparieren, so wird der Anspruch auf Ersatz der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden Reparaturkosten im Regelfall nicht erst sechs Monate nach dem Unfall fällig.
Mit dem vorliegenden Beschluss ergänzt der VI. Zivilsenat, der u.a. für das Kfz-Haftpflichtrecht zuständig ist, die Rechtsprechung zur sogenannten 130% - Grenze weiter.
Der Senat hatte zuletzt mit zwei Urteilen vom 13.11.2007, -Az.: VI ZR 89/07- und vom 27.11.2007 - Az.: VI ZR 56/07 -, die für das Verständnis der vorliegenden Entscheidung grundlegend sind, am Ausbau seiner Rechtsprechung gearbeitet.
Damals ging es um die Klärung der Frage, in welcher Weise das Integritätsinteresse des Geschädigten belegt sein muss, das die dogmatische Rechtfertigung für die Zubilligung der vom Sachverständigen ermittelten, den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Reparaturkosten ist.
Dazu hat der Senat in den beiden Urteilen vom 13.11. und 27.11.2007 entschieden, dass dieses für den Zuschlag von bis zu 30% ausschlaggebende Integritätsinteresse dann ausreichend belegt ist, wenn der Geschädigte, der Ersatz des Reparaturaufwands über dem Wiederbeschaffungswert verlangt, das Fahrzeug nach der Reparatur für einen längeren Zeitraum nutzt. Im Regelfall wird hierfür ein Zeitraum von sechs Monaten anzunehmen sein, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen.
Mit dem nun vorliegenden Beschluss vom 18.11.2008, in dem es prozessual darum ging, nachdem der Kfz-Haftpflichtversicherer nach Klageerhebung die Forderung anerkannt und bezahlt hatte, welche der Prozessparteien die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe, klärt der Senat die Frage ob der Schädiger, bzw. der ihn im Regulierungsgeschehen vertretende Kfz-Haftpflichtversicherer, aus dieser Rechtsprechung des Senats zu Recht den Schluss ablei-ten könne, dass in den Fällen, in denen die Reparaturkosten um bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeuges lägen, die Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs erst dann einträte, wenn der Geschädigte das Fahrzeug nach den Kriterien der Senatsrechtsprechung vollständig und Fachgerecht repariert und dieses Fahrzeug dann zusätzlich noch für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten selbst genutzt habe.
Der Senat hat diese Frage unter erneutem Verweis auf die Grundsätze der Urteile vom 15.10.1991 VI ZR 67/91 und VI ZR 314/90 sowie vom 15.02.2005 VI ZR 70/04 und VI ZR 172/04 für den Regelfall verneint und dabei die Überlegungen zur rechtlichen Grundlage und den wirtschaftlichen Hintergrund kurz zusammengefasst, welche die Zubilligung einer Reparaturkostenentschädigung dogmatisch rechtfertigen, die über dem Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeuges liegt:
Der Senat:
„Der Grund für diese Rechtsprechung liegt darin, dass der Geschädigte bestimmte Schadenspositionen nur verlangen kann, wenn sich der Grund für ihre Zuerkennung als ausreichend beständig erweist. Ersatz des Wiederbeschaffungswerts bedeutet, dass der Restwert des beschädigten Fahrzeugs bei der Schadensregulierung unberücksichtigt bleibt. Das ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Geschädigte ihn nicht realisiert, so dass er sich nur als hypothetischer Rechnungsposten darstellt, der sich in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf; hier genießt das Integri-tätsinteresse des Geschädigten Vorrang und darf durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und das Bereicherungsverbot nicht verkürzt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 154, 395, 397 f.; 168, 43, 46). Ebenso ist, wenn der Schaden den Wiederbeschaffungswert um bis zu 30 % übersteigt, ein Ersatz, der über dem Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert minus Restwert) liegt, nur dann gerechtfertigt, wenn ein besonderes Integritätsinteresse des Geschädigten besteht (Senatsurteile vom 13. November 2007 - VI ZR 89/07 - und vom 27. November 2007 - VI ZR 56/07 - aaO).“
Der Senat stellt dann klar, dass das Integritätsinteresse, das ja gerade als ein nachhaltiges Interesse an der Weiternutzung des beschädigten Fahrzeugs definiert ist und dessen Annahme den Anspruch auf Reparaturkosten bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert erst rechtfertigen kann, beweisrechtlich bedeutsam ist, gleichwohl keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung darstellt.
Der Senat:
„Der Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Feststellung, ob ein Integritätsinteresse des Geschädigten zu bejahen ist, er also ein nachhaltiges Interesse an der Weiternutzung seines Fahrzeugs hat, häufig schwierig ist. Er hat deshalb die Frage, wie lange der Geschädigte das Fahrzeug nach dem Unfall nutzen muss, um ein nachhaltiges Interesse an dessen Weiternutzung zum Ausdruck zu bringen, nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Erleichterung einer praktikablen Schadensabwicklung dahin beantwortet, dass im Regelfall ein Zeitraum von sechs Monaten erforderlich, aber auch ausreichend ist (Senatsurteil BGHZ 168, 43, 48; Senatsurteile vom 13. November 2007 - VI ZR 89/07 - aaO, S. 135, und vom 27. November 2007 - VI ZR 56/07 - aaO).“ …
„Wird das beschädigte Fahrzeug sechs Monate nach dem Unfall weiter benutzt, so ist dies im Regelfall ein ausreichendes Indiz, um das Integritätsinteresse des Geschädigten zu bejahen; eine weiter gehende Bedeutung hinsichtlich der Fälligkeit des Anspruchs kommt der Frist nicht zu.“
§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbet-rag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
§ 251 Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung
(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines ver-letzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.
Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung
AKB 2008 (Musterbedingungen GDV)
A.1 Kfz-Haftpflichtversicherung –für Schäden, die Sie mit Ihrem Fahrzeug Anderen zufügen
A.1.1 Was ist versichert?
Sie haben mit Ihrem Fahrzeug einen Anderen geschädigt
A.1.1.1 Wir stellen Sie von Schadenersatzansprüchen frei, wenn durch den Gebrauch des Fahrzeugs
a Personen verletzt oder getötet werden,
b Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen,
c Vermögensschäden verursacht werden, die weder mit einem Personen- noch mit einem Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen (reine Vermögensschäden), und deswegen gegen Sie oder uns Schadenersatzansprüche aufgrund von Haftpflichtbestimmungen
des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Straßenverkehrsgesetzes oder aufgrund anderer gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen des Privatrechts geltend gemacht werden.
Zum Gebrauch des Fahrzeugs gehört neben dem Fahren z.B. das Ein- und Aussteigen sowie das Be- und Entladen.